Paul Schwaderer

Irritationen am Firmament – Über die Asymmetrien zwischen Weltkonstruktion und Weltwahrnehmung

Erleben wir einen Sonnenuntergang, dann erleben wir eigentlich zweierlei. Wir erleben den Sonnenuntergang, wie ihn Menschen seit Jahrtausenden erleben. Die Sonne taucht am Horizont ab, und – Gott sei Dank – taucht sie zuverlässig am nächsten Morgen wieder am anderen Ende auf. Und wir sehen, dass wir uns täuschen. Denn wie wir wissen, verschwindet die Sonne nicht. Und es grenzt auch an kein Wunder, dass sie so zuverlässig wieder auftaucht. Sie bewegt sich ja kaum. Es ist die Erde die sich um sie bewegt. Und es sind wir Menschen, die – Kraft der Einbildung – die Sonne unter den Horizont schieben und sie wieder auftauchen lassen.

Wir bewegen uns also tagtäglich in einem unzureichend bestimmten Zwischenraum zwischen Wirklichkeitserfahrung und Wirklichkeitsmodell. Und leider fehlen verlässliche Vermessungspunkte. Die Verfahren, durch die wir versuchen, unsere Welt zu gliedern, zu vermessen und uns gefügig zu machen, erzeugen beständig kleine Fehler, die aber erst im Streiflicht, im Licht der aufgehenden Sonne, zur Irritation werden, Schatten werfen, blinde Flecken aufdecken und Deckungsungleichen offenbaren.

2 Objekte, Gips, Silbergelatine, 22,5 x 30 x 6 cm

Der 1984 in Weingarten geborene Paul Schwaderer studiert seit 2007 Fotografie & Medien an der FH Bielefeld. Die Arbeit »Irritationen am Firmament – Über die Asymmetrien zwischen Weltkonstruktion und Weltwahrnehmung« entstand im Seminar »Zur Soziopsychologie des Innenraums« unter Betreuung der Lehrbeauftragten Dr.Wiebke Leister im WS 2010/2011.