Paul Schwaderer

Das Bild huscht vorbei

Ein weiteres Mal legen sie eine Rolle Film in den Projektor ein, schalten den Apparat an, beobachten nur den allerersten Moment der Vorführung. Das erste Bild rastet mit einem Klackgeräusch auf der Filmbühne ein, es folgt – zögernd nur – das zweite, das dritte Bild. Etwas grob, ungestüm, verdrängen sie das jeweils Vorhergegangene. Das Rattern des Apparats wird lauter, regelmäßiger. Einige letzte verräterische Zuckungen, dann lösen sich die Bilder ineinander auf, beginnen zu gleiten. Nichts bleibt sichtbar von ihrem eigentlichen, festen Kern, vom Material.

– Der feste Stoff zeigt sich flüchtig.

– Das Bild huscht vorbei, es wird schwindelig. (2)

– Genau das.

(2) »Wenn es wahr ist, dass wir Wahrheit über die Welt nicht in dem finden, was wir in urpassiver Wahrnehmungseinstellung von ihr sehen, hören und fühlen, sondern dass wir sie jenseits der Sinnenerzerzeugnisse vorstellen und wie eine ontologische Geheimschrift „lesen“ müssen, dann liegt es im Wesen dieser Wahrheit, dass wir uns an ihr schwindelig denken. Wem nicht schwindelig wird, der ist nicht informiert.« (Peter Sloterdijk, Kopernikanische Mobilmachung und ptolemäische Abrüstung, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1987, S. 64)

Der 1984 in Weingarten geborene Paul Schwaderer studiert seit 2007 Fotografie & Medien an der FH Bielefeld. Die Arbeit »Das Bild huscht vorbei« entstand im Sommersemester 2010 unter der Betreuung von Prof. Karl Müller.