Nora Stroebel

Die Dringlichkeit der Dinge

Dipl. Ing. H.-U. Ströbel kommt in einem Gutachten, welches er in seiner Funktion als Gutachter für Gebäudeschäden verfasst hat, zu folgendem Ergebnis: „Unter den Anwesenden herrschte Uneinigkeit über Definition Riss, insbesondere ob die nur bei guten Lichtverhältnissen an der Fliesenoberseite sichtbaren Knicke schon als Riss bezeichnet werden können“. Für diejenigen unter uns die keine Gebäudeschäden begutachten, mag dieser Satz auf den ersten Blick trivial und unfreiwillig komisch klingen. Die Problematik des Vermessens, mit der sich Ströbel im Falle des strittigen Knickes auseinandersetzt, ist jedoch auch die Grundlage für die alles andere als alberne Masterarbeit seiner Tochter Nora Ströbel. Durch die Aneignung und Neuinterpretation der Messbilder ihres Vaters hinterfragt sie die „Sinnhaftigkeit der Dokumentation des Maßes und dessen Stand als gerichtstaugliches Beweismittel“. Sie beschreibt ihr Vorgehen folgendermaßen:

H.-U. Ströbel vermisst zu bemängelnde Zustände. Als Messinstrumente dienen ihm ein Rissbreitenmesser und ein Zollstock.
Die Dokumentation der Schäden erfolgt fotografisch. Der Gutachter geht den Zuständen gewissenhaft auf den Grund.

Die Fotografin (N. Ströbel) analysiert das Vermessen der zu bemängelnden Zustände des Gutachters im und am Bild. Die Analyse des Vermessens lässt den Zweck zum Selbstzweck werden.
Die Fotografin geht der Dringlichkeit der Bilder der vermessenen Dinge gewissenhaft auf den Grund.

Die Arbeit besteht aus einem Objekt, einer Zeichnung, zwei Collagen, 20 Fotografien und einem Buch.

Nora Ströbel studierte Medienkunst an der Bauhaus-Universität in Weimar bevor sie für den Master in Fotografie und Medien nach Bielefeld wechselte. Ihren Abschluss machte sie im Januar 2015 unter der Betreuung von Dr. Wiebke Leister und Prof. Dr. Anna Zika.