Lucie Marsmann

ULLA & WILLI

Es gehört zu den bezeichnenden Eigenschaften von Kunst, dass sie keine generische Reaktion hervorruft, sondern die Rezipienten stets eigene Zugänge zu dem gezeigten entwickeln. Besteht eine Arbeit aus rekontextualisierten Fotografien, gestaltet sich die Erfahrung des Betrachtens noch ambivalenter. Die Hüterin eines Archives, in diesem Falle Lucie Marsmann, die sich den fotografischen Fundus ihrer Großeltern aneignet, mag andere Strategien verfolgen als die ursprünglichen Autoren. Sinn und Zweck des Fotografierens wird plötzlich in Frage gestellt. Außenstehende Betrachter nehmen »ULLA & WILLI« anders wahr als Marsmann oder Ulla und Willi selbst. Marsmann spielt mit Erinnerungskultur. Für die beteiligten ist es eine persönliche Angelegenheit, Erinnerungen an den riesigen Bananensplit im Österreichurlaub oder dieses eine Weihnachten an dem jenes passierte werden wieder wach. Für andere sind die Bilder ein kulturgeschichtlicher Ritt durch die BRD, ein Land in dem die Autos orangener waren und die Tapeten blumigere Muster hatten. Gepaart mit den neu fotografierten Erinnerungstücken, die den Charakter von Artefakten annehmen und Marsmann zu einer Archäologin werden lassen, geht »ULLA & WILLI« weit über die Lebenswelt der Namensgeber hinaus, obwohl es anfänglich ausschließlich um Ulla und Willi selbst gehen sollte. Das Ritual des gegenseitigen Fotografierens drehte sich um die beiden als Individuen und als Paar. In Marsmanns Aneinanderreihung wird diese Einheit betont, Bildpaarung ist an dieser Stelle wörtlich zu verstehen.

Lucie Marsmann studiert derzeit im zweiten Mastersemester. Die Arbeit entstand im Wintersemester 2015/16 und wurde von Andrea Diefenbach betreut. »ULLA & WILLI« ist Teil des diesjährigen BredaPhoto international photofestivals und zudem in der Shortlist des Dummy Awards des Fotobookfestivals in Kassel. Gestaltet wurde das Buch in Zusammenarbeit mit dem Duo Nathow & Geppert.